Donnerstag, 4. Februar 2016

Schlussblog

Geneigte(r) LeserIn

Unser Blog neigt sich dem Ende zu. Wir haben unsere Reise, welche in der Schweiz vor 10 Monaten begonnen, nun in Dänemark vorerst zu Ende geführt. Schauen wir noch ein letztes Mal zurück:




Wir haben uns hier oben gut eingelebt. Das Zügeln war seinerzeit tadellos vonstatten gegangen, auch dank tatkräftiger Mithilfe von Valérie's Eltern und Lukas. Hier nochmals herzlichen Dank für die tatkräftige und unkomplizierte Hilfe!

Auf vielseitigen Wunsch hier noch einen Nachtrag (07.02.2016):
Wir konnten mit ca. 1h Vorsprung auf die geplante Abfahrtszeit starten, weil uns überraschend auch noch Valéries Bruder, Yves, tatkräftig am Morgen schnell helfen kam. Während wir dann losfuhren, machte er sich auf den Weg zur Arbeit. Lieber Yves, auch Dir herzlichen Dank! :)

Die Fahrt dauerte jeweils 12-14h und machte richtig Spass; auch weil wir uns als Fahrer stets abwechseln konnten. Dank Noch-Schengen mussten wir übrigens unser Zügelgut nirgends verzollen und wurden nicht mal angehalten (beim Hochfahren).


Unsere Wohnung ist wunderbar, sehr hell - nicht allzu gross, aber mit allem was wir benötigen uuuuund die Fussbodenheizung im Badezimmer ist der Hit! *eifrignick* Woran man sich gewöhnen muss, sind aber die Geräusche, welche der Wind hier verursacht - und beides ist nicht zu vernachlässigen. Ein klarer Vorteil zur Schweiz, ist das 1 Schlüssel für alles Prinzip:
  • Haustüre
  • Kellerschloss
  • Abfallraum
  • Briefkasten
  • und hätten wir eine Garage, wäre er sicher auch dafür :)
In der Schweiz hatten wir bereits drei Schlüssel nur für das Zuhause. Da haben uns die Dänen also was vor.


Ishøj (so heisst das Dorf), in welchem wir leben, ist aber ein bisschen der Ghettovorort von Kopenhagen. Es hat durchaus auch seine schönen Orte (der Strand oder Tranegilde gleich nebenan), aber es ist sehr multikulturell und anonym. Hauptsächlich die Einwanderer arabischer Herkunft lassen gerne Abfall liegen, oder finden sonst die Einhaltung der Regeln nicht besonders prickelnd. Ich werde im Schlusswort aber noch ein paar Gedanken dazu äussern, nicht dass der ihr ein einseitiges Bild kriegt.

Der Transport von und zu uns geht problemlos mit dem ÖV, ist aber am Schluss noch mit 13 Gehminuten verbunden. Der ÖV fährt besonders am Wochenende die ganze Nacht durch und auch sonst eher lange. Somit sind wir sehr gut erschlossen und auch hier haben die Dänen einen Vorteil. Der SwissPass, eh ich meine die Rejsekort (Reisekarte) funktioniert hier anstandslos... Beim ersten Verkehrsmittel einchecken, losfahren, bei jedem Wechsel wieder einchecken und am Schluss der Reise auschecken. Die Kosten für die Fahrt werden sofort angezeigt oder können online problemlos auf dem eigenen Konto nachgesehen werden. Auch sind die Tarifstrukturen klar und wer zu Randzeiten oder am Mittag unterwegs ist kann von Rabatt profitieren. Jaja, so sollte das sein und auch unser erster Besuch aus der Schweiz war vom System total begeistert!

Wenn wir gerade von den Vorteilen reden: habe ich schon gesagt, dass wir bei der Mobiltelfonie für 15 GB Daten (das reicht auch für intensive Intensivnutzer) und 10 Stunden sprechen in Dänemark nur 15 CHF bezahlen? Mittlerweilen habe ich auch gesehen, dass die Anrufe auf Festnetz in die Schweiz sozusagen gratis sind. Die Downloadgeschwindigkeit ist bei diesem Preis übrigens nicht gedrosselt...

Aber neben all den Vorteilen gibt es logischerweise auch Nachteile. Pfand auf PET ist so einer! Da kriege ich echt Akne! Jede Flasche hat eine unterschiedliche PET-Gebühr und auch je Laden kriegt man unterschiedlich Geld zurück. Wenn wir nun aber Mineralwasser im Laden A für 5 Kronen + 1 Kr Pfand kaufen und es bei Laden B zurückgeben, so kriegen wir 3 Kr Pfand zurück. Dann kostet das Wasser nur noch 3 Kronen! Immerhin... :D

Auch das dänische Tiefbauamt ist hier nicht so eifrig wie in der Schweiz, wobei dies wahrscheinlich auch mit der ungleich höheren Abfall-Fallenlass-Rate zusammenhängt. Ach - und die Tiefbauamtmitarbeiter sind alle schwerverliebt! Soviel Salz wie die streuen geht auf keine Kuhhaut...

Nuuun, wie sieht es denn jetzt mit den zwei Hauptthemen Sprache und Job überhaupt aus?

Sprache
Wir haben im Januar mit der Sprachschule begonnen. Ich tagsüber (Mo, Di und Mi) und Valérie wegen der Arbeit abends (Di und Do). Hier zeigen sich klar die Vor- und Nachteile des öffentlichen Systems. Die Schule ist zwar vom Staat finanziert, aber die Leute glänzen unterschiedlich mit ihren Anwesenheiten und ihrer Lernmotivation. Wir haben zu Beginn 5x50 Stunden Unterricht zugute, bevor wir einen Modultest bestehen müssen. Ich führe hier nicht alle Details auf, begrüsse aber unter dem Strich die Möglichkeit der bezahlten Integrationshilfe!

Wie wir mittlerweilen auch herausgefunden haben, hängt es sehr von der Eigeninitiative ab, wie nutzbringend man die offerierte Zeit abarbeitet. So konnte ich mich durch mein Mundwerk vom Einsteigermodul des mittleren Niveaus ins Fortgeschrittenenmodul des oberen Niveaus durchkämpfen, wo ich nun hoffnungslos hinterherschwimme. Aber kommt Zeit kommt Rat und Land ;) So wie es aussieht, werden Valérie und ich nun zu Pilotbenutzern um das Fernstudium zu testen. Das ist aber ein Nachteil für mich, da Valérie eindeutig die diszipliniertere Form von Lernen vorzuweisen hat ;)

Damit Ihr Euch ein Bild der Sprache machen könnt, hier ein Beispiel in Schrift und "Aussprache", sowie der Übersetzung:
Schrift: Det går efterhånden ret godt med at læse, men jeg har stadigvæk svært ved udtalen. Ah, det har jeg også.
Aussprache: De gor efterhonn ret got meat lääse, men ja här städigväk svärt vell ulltalen. Ah, de här ja os.
Übersetzung: Es geht eigentlich recht gut mit lesen, aber mit der Aussprache habe ich immer noch Mühe. Ah, das habe ich auch.
Die Schwierigkeiten bestehen vor allem in den Unterschieden von der Schrift zur Aussprache und mit den bestimmten Lauten (tryk und blød d), welche wir von der deutschen Sprache her nicht kennen. Der Satzaufbau und die Wortstellung sind aber meistens identisch zum Deutschen *uff*

Fazit: Wir sind dran aber brauchen noch etwas Zeit.

Arbeit
Valérie hat ihre Arbeit im Januar bei Northern Helicopters aufgenommen. Mittlerweilen hat sie bereits zwei Theoriefächer an die neue Klasse unterrichtet und konnte auch die ersten Erfahrungen beim Fliegen sammeln. Mit der Zeit wird dann das Fliegen immer wichtiger werden, weil die letzten Studenten nun die letzten Abreibungen erhalten und die neuen ihre ersten Erfahrungen sammeln wollen. Darauf freut sie sich irrsinnig und ich freue mich mit ihr!

Beim Weg zur Arbeit hat sie noch nicht das erhoffte Glück, da ihr Leih-e-bike bereits 3x (!) Platten hatte. Nun hat sie aber vorne und hinten sogenannte Anti-Loch-Reifen montiert und wir hoffen, dass das Velofahren dann wieder besser klappt. Wenn sie schon knapp 30km pro Weg abstrampelt, dann soll es auch Spass machen! Und bald sollte sie ihr eigenes eBike kriegen, dann ist die Welt wieder rund :)

Meinerseits musste ich ja auf Jobsuche gehen, da ich per se einfach mal Valérie "hinterhergereist" bin. Also hiess es erstmals, auf unterschiedlichen Jobportalen spannende Inserate suchen. Jedes Mal die Bewerbung leicht anpassen und dann ein Motivationsschreiben auf Englisch verfassen. Dies war etwas trocken, weil sich die Dänen nicht die Mühe geben, jemanden über den Fortschritt einer Bewerbung zu informieren. Keine Antwort ist also wohl wie eine Absage zu bewerten. Und wenn die Info kam, dass sie etwas länger zum bearbeiten brauchen würden, dann kam auch innert weniger Stunden die nächste Info?!

Mitte Januar fand dann ein Jobsuchworkshop in Kopenhagen statt, wo ich teilnahm. So lernte ich die Eigenheiten der hiesigen Jobsuche besser kennen:
  • Lebenslauf beinhaltet nur die für den Job relevanten Ausbildungen / Weiterbildungen, alles andere ist zu streichen
  • Lebenslauf ist maximal 3 Seiten lang, lieber nur 2
  • Arbeitszeugnisse interessieren hier niemanden! Falls die Dänen Interesse haben, so telefonieren sie ganz oldschool den Referenzen :)
  • Diplome werden auch nicht mitgeschickt. Wenn, dann werden sie bei der 2. Interviewrunde angefragt
Zuerst dachte ich, dies sei ein Witz, aber nachdem ich mich an zwei Orten vorstellen konnte (und mir das Nachfragen über das dänische Auswahlverfahren erlaubte), weiss ich nun, dass dies seriöser Ernst ist. Also sozusagen todernst!

Wie dem auch sei: ich habe mich nun für einen Job des Herzens und gegen eine andere tolle Möglichkeit mit hervorragendem Lohn entschieden. Ich werde mit 2 Teamkollegen und dem Chef den Betrieb des Rechenzentrums der Roskilde Uni sicherstellen. Dies beinhaltet Linux und Windows Server und keinen Client Support. Zudem haben wir noch Netzwerkler, Entwickler und DBA-Spezis vor Ort, somit kann man auch jederzeit die Nase über den eigenen Tellerrand hinaus strecken :) Im Moment wird der Vertrag erstellt und so wie es aussieht, kann ich dann sofort loslegen und muss nicht auf den März warten. Mich erwartet eine normale dänische 37h Arbeitswoche (weniger normal aber bei mir dummerweise der Fall: Mittagessen gilt als Arbeitszeit) :D

Und glaubt mir. Wenn man die Sprache mit dieser Intensität erlernen will, gleichzeitig noch die Stellensuche vorwärtstreibt und nebenbei 3x die Woche dem Judo nachgeht, dann vergeht die Zeit wie im Fluge...

Nun denn, es gäbe noch viele lustige Anekdoten zu erzählen, besonders unsere ersten Erlebnisse mit Dänen und Feiertagen, aber die sparen wir uns für die persönlichen Treffen auf (ein bisschen Spannung muss sein) und wir danken an dieser Stelle allen treuen LeserInnen ganz herzlich! Für Eure persönliche Zukunft wünschen wir Euch alles Gute und dass Ihr das Leben jetzt und hier geniessen könnt.

Valérie und Emanuel, die BaKos



Für die hartnäckigen LeserInnen: Persönliche Gedanken
Als einzigartige Möglichkeit, um mit verschiedenen Kulturen ins Gespräch zu kommen, entpuppte sich unsere Sprachschule. Wir haben also mit Syrern, Kurden, Somalis, Gambianern, Polen und sogar einer Isländerin und einer Philippinerin zu tun.

Es ist ein ungewohntes Gefühl, wenn fast alle Frauen einen Hidschāb tragen. Es ist auch ungewohnt, wenn wir einerseits dänisch lernen wollen, aber überall um uns herum arabisch gesprochen wird. Doch man merkt sehr schnell, dass dies an den optischen Erkennungsmerkmalen und den fehlenden Erlebnissen mit der Kultur liegt.

Die Menschen dahinter sind  Menschen so wie Du und ich.
Manche motivierter und manche weniger.
Manche erwachsener und manche weniger.
Manche pünktlich und manche weniger.
Das sind wir auch.

Und es freut mich unheimlich, dass ich den Kontakt mit diesen Kulturen gefunden habe. Mahmoud zum Beispiel war in Damaskus Bauingenieur. Mit ihm habe ich Fotos von seiner Heimatstadt besprochen, welche nun zu grossen Teilen in Schutt und Asche liegt. Das ist ein verdammt schräges Gefühl und man spürt deutlich, wie fern und nah es doch gleichzeitig ist. Weisst Du, wieso er von Syrien geflohen ist? Nicht weil Damaskus zerbombt wird, nicht weil ihm die Familie durch den Krieg genommen wurde. Nein, weil er für drei Jahre in die Armee hätte einrücken müssen. Er wollte aber nicht in den Krieg ziehen und ihm unbekannte Personen töten. Diese Zeilen zu schreiben sind um einiges einfacher, als Mahmoud gegenüber zu stehen, ihm in die Augen zu sehen und sich dabei zu überlegen, was man in seiner Situation wohl gemacht hätte...

Auch die Gespräche mit den Personen aus anderen Nationen sind sehr interessant und geben zum Teil stereotyptische Bilder wieder. Die Afrikaner sind jederzeit für einen Schwatz zu haben. Mit den Polen kann man Pferde stehlen und sie haben es immer gerne lustig. Die Philippinerin lächelt tief aus ihrem Herzen und ist grundsätzlich eine positive Natur. Die zwei Kurden kenne ich erst seit gestern, aber sie sind bereits 3 bzw. 1 Jahr in Dänemark, beide suchen eine Stelle und müssen aber zuerst dänisch können, um erfolgreich auf dem Arbeitsmarkt zu sein.

Und so geht jeder seinen Weg und hat seinen eigenen Rucksack mit Erlebnissen dabei.

Was will ich Dir damit sagen?

Angst kommt von Nichtwissen! Dagegen kann jeder für sich selbst was unternehmen, sei es durch lesen, Gespräche, Reisen... Das Gefühl welches sich als Belohung einstellt, ist besser als manches andere. Probiere es selbst aus...!

Gleichzeitig möchte ich aber auch darauf hinweisen, dass nicht jeder gleich schnell Erfolg hat und wieder in den Alltag integriert wird wie andere. Einer sucht drei Jahre lang einen Job in einem fremden Land, andere empfanden bereits die 1.5 Monate bei mir als lang. Bedenke, dass der Mensch per se den Müssiggang nicht sinnvoll nutzen kann und sich darum in lauter komischen Gedanken verfängt und/oder sinnlose Taten begeht. Auch stumpft er ab und verliert sein eigenes Wertgefühl. Es erfordert eine grosse Portion Lebensweisheit, um das Nichtstun positiv nutzen zu können.

Um den Menschen, welche sich in einer solchen Situation befinden, helfen zu können, bedarf es unbedingt eines zügigeren Asyl-/Migrations- und eines anderen Integrationsverfahren, ansonsten die oben beschriebene Situation eintreten kann. Bereits kleine, begleitende Tätigkeiten sind in diesem Fall für alle Gold wert. Vielleicht kennst Du ja eine Person in dieser Situation und denkst beim nächsten Zusammentreffen daran, dann bin ich Dir dankbar für Deinen Schritt und Deine Unterstützung!