Ich bin in der Zwischenzeit nach Kopenhagen hochgereist, um hier Abklärungen vor Ort einzuleiten. Dies fing bereits mit der Wohnungssuche für diese Phase an: über Couchsurfing (privat, Gratis-Übernachtung auf Sofa) wollte mich für die Dauer von 3 Wochen niemand (was ich noch verstehe). Aber auch über Airbnb (privat, kostenpflichtige Übernachtung, dafür mit richtigem Bett) wollte mir niemand zusagen. Meine Vermutung ist, dass es mit der offenen Kontaktaufnahme (ich komme hoch, weil ich DEINEN Job stibitzen will und DEINE Wohnung auch noch dazu!) zu tun hatte. Als ich dann nur noch von "beruflichen Gründen" schrieb, erhielt ich bereits bei der nächsten Anfrage die Zusage ;) Alternativ wäre nur noch ein Hostel in Frage gekommen, denn ein Hotel über so lange Zeit käme einem nicht erschwinglichen Lebenswandel gleich.
Also, schnell Flug gebucht (Easyjet hin und zurück für knapp 200 CHF inkl. Gepäckaufgabe) und schon gings hoch. Ist immer speziell, wenn alles neu ist. Bekannte Vorgehensweisen müssen über Bord geworfen werden und den Alltag gibt es nicht mehr. Wie bewege ich mich vom Flughafen zur Wohnung? Welches ist die billigste Reiseart für 3 Wochen? Zum Glück hatte ich das bereits von zuhause aus geklärt und so fand ich die Wohnung problemlos (OpenStreetMap sei dank!). Nun auch mit einer Prepaid-Reisekarte für den ÖV ausgestattet, machte ich mich auf eine erste Tour durch Kopenhagen.
Es ist ein komisches Gefühl, wenn man sich vorzustellen versucht, hier demnächst zu leben: die Personen lächeln einen ja gar nicht an? Wieso spricht denn niemand mit mir? Komische Leute! Ich könnte mich auch einfach in der Wohnung verkriechen und niemand würde mich vermissen? Komische Sprache hier oben!
Ja, so ging es auf und ab mit den Gefühlen, was für mich eher ungewöhnlich, aber interessant wahrzunehmen ist. Auf jeden Fall war ich froh, als Valérie übers Wochenende zu Besuch kam. So ist man nicht mehr ganz fremd und fühlt sich gleich viel besser aufgehoben. Dass sie diesen Wechsel damals nicht so stark wahrgenommen hat wie ich, könnte daran liegen, dass bei Ihr - zwar fremde - Leute auf sie warteten und ihr ein Alltagsprogramm gaben? Wir wissen es nicht sicher, aber vermuten es :)
Nun mussten also Abklärungen getroffen werden, welche ich zuerst in der untenstehenden Reihenfolge und dann kreuz und quer durcheinander anpackte:
1. Jobsuche
2. Formalitäten
3. Sprachkurse
4. Judo
5. Appartmentsuche
Zu Punkt 1:
Die Jobsuche ist analog zu der Schweiz, aber schwierig wenn man ungeduldig ist und 3 Wochen zu 100% Zeit hat, danach aber wieder weg ist. Das ist wie der Kampf im Bundeswesen für vereinfachte und schnellere Prozesse ;) Ich habe herausgefunden, dass es für OSS (Open Source Software) viel mehr Möglichkeiten gibt und bin dann bei diversen Firmen spontan vorbei gegangen und führte informelle Gespräche. Nun muss ich auf die HR-Prozesse warten und dann sehen wir weiter. Ich habe mir sogar erlaubt, bei einem Job vorstellig zu werden, wo fliessende Dänischkenntnisse verlangt werden, das macht es dann gleich spannend, leider wurde mir das aber auch zum Verhängnis :) Und die Kleiderwahl war auch spannend: kam ich eher so wie mein letzter Chef (Hoi Marc :) ) mich jeweils gerne gesehen hätte, dann waren die Angestellten in zerrissenen Hosen und Sneakers unterwegs und habe ich mich für eine gemütliche Kleidung entschieden, so fehlten mindestens drei Krawatten, ein Bügeleisen, das Haargel und viele Klunker an den Händen!
Zu Punkt 2:
Es gibt viele Webseiten und einen Dienst, der Auswanderern vor Ort hilft. Das Thema selber behandlen wir im Menüpunkt "Land&Leute". Es war aber so, dass wenn der Dienst um 1000 Uhr öffnete und ich brav um 0955 vor der Türe stand, bereits die Nummer 68 zog... Beim zweiten Anlauf bin ich dann auch 1h vor der Türöffnung dort gewesen und war darum schon die Nummer 13. Ein gewaltiger Fortschritt :) Ganz grob gilt zu wissen, dass man in der EU registriert werden muss und danach die CPR (dänische eierlegende-wollmilchsau-Nummer) erhält. Damit ist man dann automatisch versichert gegen Krankheit und Unfall, aber nicht gegen Erwerbsausfall (ALV ist freiwillig hier oben). Zu guter Letzt muss man sich bei den Steuern anmelden, sobald man einen Arbeitsvertrag hat - das wird ein schwerer Gang, gilt das Land doch als teuerstes der ganzen EU...
Zu Punkt 3:
Dänisch ist irgendwie ähnlich zu Deutsch und Englisch, aber irgendwie auch nicht. Um die Schrift in Ton zu bringen, muss man ganz viele Regeln zur korrekten Aussprache beherrschen (also wenn das o vor einem l kommt und nicht am Schluss steht, oder...). Die Sprache ist für uns essentiell, denn nur so versteht man die Leute wirklich. Um Euch ein Beispiel zu geben, stelle ich hier zwei Links rein - ein bekannter dänischer Song und den dazugehörigen Text:
Song und Text
Die ganze Bildung sei super hier oben und alles gratis, wurde mir oft gesagt. Das stimmt nur bedingt, wenn man das Ganze ein bisschen näher anschaut: nach Erhalt der CPR darf ein Einwanderer gratis Sprachkurse belegen. Diese dauern 5x50 Lektionen und müssen innert 18 Monaten (normlarweise dauert es aber nur 6 Monate) alle bestanden sein. Das ist ein beschleunigtes Verfahren, um
a) öffentliche Meinung: die Einwanderer schneller ins Geschäftsleben zu integrieren.
b) private Meinung: die Kosten zu senken.
Nur wenn man dann direkt mit dem nächsten Level weitermacht, wird es weiterhin bezahlt und alles in allem kann man so max. 5 Jahre gratis die Sprache erlernen (bis zu Danish Education Level 3 - entspricht wohl dem Proficiency in Englisch). Ich verstehe dies hier als positiven Druck ;) Freiwillig reinsitzen durfte ich als Tourist aber nicht, unter Bezahlung wäre das gegangen, aber nur unter der Bedingung, dass ich zeitgleich mit einem Kurs beginne. Und dies war - wen erstaunts - nicht der Fall.
Zu Punkt 4:
In Roskilde wo wir wohnen möchten, gibt es keinen Judoclub. Deshalb habe ich mich in Kopenhagen umgesehen und drei Clubs rausgeschrieben, zwei davon habe ich besucht - vom dritten habe ich mir zwecks russischen Trainingsmethoden abraten lassen, bzw. irgendwie hatte ich genug Trainings und eine Mannschaftsrunde besucht, um mir so ein Bild machen zu können. Ein Club ist leistungstechnisch wohl ziemlich der stärkste in Dänemark und hier trainiert auch das Nationalkader. Dafür wurden für mich wichtige, begleitende Werte weniger gelebt - ich möchte hier nicht auf die Details eingehen. Im anderen Club sah das Training nicht so fordernd aus, kein Schwergewichtler, dafür lebten sie die Werte. Was macht man in so einer Situation? Richtig, man fragt nahestehende Leute zur Meinung. Vielen Dank Masaki für Deine Hilfe! Ich werde mich nun bei meiner Rückkehr auf das Training im schwächeren Club konzentrieren, aber für die frei zugänglichen, nationalen Trainings beim anderen Club vorbeischauen. Ganz nach Fünfi & Weggli Manier :D
Zu Punkt 5:
Das ist ein Unterfangen für sich! Ich glaube hier benötigt man viel Durchhaltewille, viel Energie und ein bisschen Glück oder Zufall! Folgende Beispiele:
- es gibt Wohnungen von sogenannten Verbänden: die Warteliste ist aber hier ca. 5 Jahre lang und für gewisse Quartiere sogar deren 20 = Idee gestorben!
- es gibt Wohnungen im Tausch: also wenn Du mir diese und diese Wohnung bieten kannst, dann kannst Du meine hier haben = Idee gestorben!
- es gibt Wohnungen mit abenteuerlichen Bedingungen: z.B. insgesamt 7 Monatsmieten im Voraus zu bezahlen, oder vor der Besichtigung bereits eine Miete bezahlen = Idee gestorben!
- es gibt Wohnungen ganz normal zur Besichtigung. Es gibt sie! Das geht so: das Inserat ist ca. 20min alt, der Suchagent sendet eine Mail, man ruft umgehend an und dann stöhnt das Gegenüber auf, weil man ca. der zehnte Anrufer ist in diesem Zeitraum.
Wir lassen uns aber nicht entmutigen und schreiten munter voran. Irgendwo wartet doch die kostenlose, frisch renovierte Villa am Meer mit Sonnenterasse und viel Grün auf ihre neuen Besitzer!!
Seid alle lieb gegrüsst und wenn Ihr gerade ein Buch lesen wollt: "Wer den Wind sät" von Michael Lüders ist wärmstens empfohlen.
Hier noch ein paar Bilder von uns:
Vorbereitungen laufen |
Eine Freistadt in Kopenhagen, linkes Gesinnungsgut und interessant einmal zu besuchen |
Welches ist die schönste Foto @ Kulturnacht |
Kulturnacht in Kopenhagen |
Italienisches Caffè - nur diese haben alle Stühle Richtung Strasse ausgerichtet :) |
Ready 4 Segway |
Fast so gut! |
Nordische Mythologie: der Brunnen Gefions |
Männerillusion: wenn man das Bild 30s betrachtet, sieht man plötzlich eine Meerjungfrau aus Bronze! |
Sportzentrum Grøndal: Judo, MMA, Karate, Kickboxing, Pfeilbogen, Fussball, Tanzen, Ringen, Trampolin, Bowling, Tischtennis, Klettern, Billard, Federball, Squash etc... |
Valis Ex-Au-Pair-Mädchen ist Dänin - wir haben sie in Vejle getroffen :) |
Yeah - Ich liebe dieses Bild! |
Typische Nachtsicht in Kopenhagen |
Aeroseum Götenborg (Militär-Bunker von 1950-2003) |
Pre-Flight planning |
Meine erste und einzige Flugstunde mit Vali naht! |
DirtBike = Höllenmaschine = Riesenspass |
Landebahn von Flughafen Götenborgs |
Typische dänische Konfiserie - die Schokokugeln rechts oben im Bild sind monströs gross! |
Wartende Personen im ICS bei Öffnungsbeginn |
Kloster in Roskilde |
Mohrenköpfe nach Halloween-Art |
Happy Valérie |
Judo Brønshøi |
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