Mittwoch, 26. August 2015

Kurze Pause

Liebe(r) LeserIn

Wir sind wieder heil zurück in der Schweiz und nach der Reise ist vor der Reise! Demnächst noch auf einen Kurzabstecher nach Emilia-Romagna mit dem Motorrad und ein paar Töffmöffen, um danach den nächsten Abschnitt zu planen. Mehr verraten wir erst zum geeigneten Zeitpunkt. Was geschah aber in der Zwischenzeit?

In Riga liessen wir unsere Motorräder mal reinigen. Sie hatten es nach dem häufigen Regen in Skandinavien bitter nötig (die Ketten mussten wir bereits in Tallin wechseln). Das Mittel, welches sie dort von Hand einmassierten, löste den Dreck sehr schnell, beim Einatmen musste ich husten. Da war ich irgendwie froh, dass ich nicht helfen musste ;)


Die sauberen Motorrädern mussten ausgefahren werden und so fuhren wir an den ellenlangen Strand von Jūrmala. Auf dieser Strasse lernte ich eine Hexe und Jungfrau kennen - zu meinem Glück waren sie mehr an dem nachfolgenden Hochzeitspaar interessiert. Das frisch vermählte Brautpaar musste sich die Weiterfahrt erkämpfen/trinken/spielen. Auf dem Rückweg bestätigte sich einmal mehr, dass die Balten weniger Skrupel mit dem Überholen haben, bzw. frech vorfahren (frech, wenn z.B. die Ambulanz mit Martinshorn aufs Gras ausweichen muss, weil ein Reisecar auf der Gegenfahrbahn am Stau vorbeifährt) - das ging in den skandinavischen Ländern viel gesitteter zu und her ;)


Wir wollten dann unterwegs nach Littauen eigentlich noch in einem stillgelegten Gefängnis übernachten. Weil meine (Schlecht-)Wetterapp aber Regen für den Folgetag voraussagte und wir gerade so schön in Fahrt waren, zogen wir bis nach Littauen, genauer gesagt Klaípeda, durch. Wir begriffen erst nach einer Weile, dass die Stadt hoffnungslos überfüllt war. Jedes (!) Hotel und jedes Gästehaus waren ausgebucht, es gab weder auf ebookers noch auf booking.com freie Räume, nur ein Familienzimmer für 240 EUR wäre noch zu haben gewesen. Da wir ja einen Tag "gewonnen" hatten, konnten wir bei Regen auch im Zelt bleiben, darum ab auf die Campingplatzsuche! Die Suche nach dem heiligen Gral wäre auf jeden Fall einfacher gewesen!! Alles war voll und erst der vierte Campingplatz konnte uns genau einen Zeltplatz zur Verfügung stellen. Immerhin konnten wir dann noch was essen gehen und uns kulturell vergnügen. Ich habe zum Beispiel gelernt, dass Textilstoff in Littauen sehr teuer sein muss :)

Nach dem Ruhetag ging es auf die Fähre nach Kiel - die mit Abstand schlimmste Erfahrung auf einer Fähre seit jeher:
  • Notausgänge waren mit Absperrband geschlossen
  • Personen schliefen überall, auf dem Boden, vor den Löschposten und wehe du verliesst deinen Sitzplatz auch nur kurz. Das ging blitzschnell und dann lag jemand quer über deine und andere Sitze
  • Viele hatten selber Bier dabei und da war mir das angepöbelt werden noch lieber als derjenige, welcher sich auf dem Sitz liegend übergeben musste. Erste Hilfe in Ehren, aber ich habe es da für einmal vorgezogen, seine Kollegen aufzusuchen und freundlich aber bestimmt zur Hilfe zu bewegen :)
  • und und und...
Nach dem Anlegen mussten wir noch 1h warten, bis wir endlich die Regina Seaways verlassen konnten. Unser Weg führte uns schnurstracks nach Dänemark, weil da noch ein Schnupperflug für Vali offen war. Flug erledigt und dann ging es ab durch Deutschland nach Hause.

Wir durchfuhren so ziemlich alle Bezirke, welche wir noch nicht kannten (östliche Seite von D): von Schleswig-Holstein nach Mecklenburg Vorpommern, Berlin Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen, Thüringen und zu guter Letzt Bayern. Das war ein Heidenspass, wieder tolle Kurven, bodenständiges Essen, ganz liebliche Dörfer und fast immer Sonne! Nur einmal hatte ich ein Missverständnis, als mich einer fragte: "Habt ihr in der Schweiz keinen Burger King?" und ich dies als Frage nach einem Bürgerkrieg verstand...

Von allen schönen, bereisten Orten muss ich sagen, dass Quedlinburg (Sachsen-Anhalt, Ldkr. Harz) mit Abstand die schönste Stadt war. Dieses romantische, mittelalterliche Feeling zieht sich durch die ganze Altstadt und ist beeindruckend!

Weil wir uns auf den nächsten Abschnitt vorbereiten wollten, sind wir nun etwas früher nach Hause gekommen und nutzen die Zeit, um zu planen, diskutieren und um eine Woche nach Italien zu düsen!

Ci vediamo pronto!



Freitag, 7. August 2015

Planänderung

Es hat sich also in unserem ungeplanten Zustand eine Planänderung ergeben, gleich mehr dazu...

Nach Röros sind wir durch den wunderschönen Rondane Nationalpark nach Süden gefahren. Dieses Gebiet hatten wir bereits im Winter (bis zum "Strasse gesperrt"-Schild) befahren und hatten so nun einen direkten Vergleich. Ach ja, auch TopGear hat übrigens seinerzeit hier oben gedreht; im Test war ihre Eigenentwicklung eines Schneeräumers ;)



Das variierende Grün, die bewachsenen Hausdächer sowie das Hochplateau selber haben einen unglaublichen Charme! Vor Lillehammer haben wir in der Natur gecampt und konnten uns wieder von der Wirkung des Mückenschutzes überzeugen. Einmal gut eingerieben, machten die Mücken ca. 2cm vor dem Gesicht eine Kehrtwende und summten davon... Diese nordischen Mücken sind wirklich überall und auf der Foto weiter unten könnt ihr sehen, dass wir nicht übertreiben: 64 Mücken zählten wir am Morgen an unserer Zeltdecke - zum Glück gibt es Innenzelte!!

 
Weil uns Skandinavien an jedem Tag mindestens einmal Regen beschert hatte und es auch auf absehbare Zeit so blieb, fuhren wir nun auf direktem Weg nach Oslo, wo wir uns bei Terje, einem sehr freundlichen Oslaner (oder wie man denen sagt), einquartierten. Etwas ruhen, Kleider waschen und wieder mal ins Kino sitzen (Mad Max - The Fury Road, geiler Film :) ) waren angesagt. Da wir gratis den OV und die Stadtvelos benutzen konnten, kam auch die Besichtigung der Stadt nicht zu kurz. Diejenigen, welche einen Facebook-Account haben, wissen bereits, dass ich im dortigen Café während einer Stunde genau 3 Seiten lesen konnte - zu spannend war das Stadtleben ;)


In Oslo haben wir auch bemerkt - und nun sind wir bei der Planänderung - dass unsere Frachtfähre von NOR -> UK voll ausgelastet war. Es gibt seit letztem Jahr keine offizielle Fähre mehr und auf den Frachtfähren dürfen nur 12 Passagiere mitgenommen werden. Irgendwie schien das bis Ende August ausgebucht und war so für uns keine Option. Ebensowenig wollten wir über Land und dann ganz England hochfahren, nur um noch die Highlands der Schotten zu sehen. Letztes Jahr kamen wir ja bereits bis in die Lowlands und so entschieden wir uns für eine Alternative: die baltischen Staaten! Da waren wir noch nie und werden wohl auch nicht so bald wieder zurückkehren. Also, von Oslo quer rüber nach Stockholm, wobei wir uns im letzten Moment für Uppsala (eine leicht nördliche Studentenstadt) entschieden. Dort verbrachten wir eine Nacht und genossen den französischen Charme (viel Lichter, Fluss im Dorf) sowie das ruhige Leben der Studenten, bevor wir uns nach Kapellskär aufmachten. Von dort fuhr die riesige und fast leere Fähre nach Paldiski (Estland). Wieso die Fähre bereits um 11h30 den Hafen verliess, habe ich mich erkundigt? Nun, alle die ein Ticket gelöst hatten seien bereits an Bord und sowieso sei nicht viel los, deshalb hatte der Kapitän entschieden, dass wir 30min früher ablegten. Nun denn, zum Glück waren wir nicht zu spät unterwegs gewesen, sonst hätten wir einen Tag gewartet :)


Bei strahlender Abendsonne in Estland eingetroffen, fuhren wir direkt nach Tallinn, wo wir denn auch nach etwas Suchen ein Hotel fanden. Tallinn hat eine wunderschöne Altstadt, noch so richtig mit Schlossmauern, Türmen, Kirchen aller Art und engen Gassen! Aber es hatte unglaublich viele Schweizer dort und so haben wir begonnen französisch miteinander zu sprechen. Setzen wir uns also im Restaurant neben ein Paar und realisieren dann, dass es Deutschschweizer sind. Kommt die Kellnerin und fragt uns, woher wir kommen (wegen der Sprache für die Menükarte) und so antworten wir brav "Switzerland". Das Paar daneben beginnt sich gleich zu amüsieren und meinte, ob wir wohl bereits alles verstanden hätten und nur so täten, als ob wir sie nicht verstehen... Wir doch nicht...! Und so sprechen Vali und ich also französisch, das andere Paar Baslerdeutsch und zusammen sprachen wir Englisch. Ganz lustig so ein déguisement :)

Weil durch den stetigen Regen und den mangelnden Einsatz von Kettenspray unsere Ketten etwas arg mitgenommen aussahen, gingen wir noch schnell zum Mech, nur um gleich ein neues Kettenkit und den Tipp "das Spray doch nicht nur im Rucksack mitzuführen, sondern auch zu brauchen" zu erhalten. So schnell fühlt man sich wie der grösste Idiot auf Erden, der zum ersten Mal ein Motorrad in der Hand hält!

Wir sind dann weiter durch Estland gefahren, welches eine vergleichbare Fläche mit der Schweiz aufweist. Wer die früheren Blogs gelesen hat, der weiss, dass finnisch für uns nicht zu verstehen ist. Estnisch ist sehr nahe am finnisch und so gab es besonders auf dem Land nur kurze oder aber lustige Gespräche... Wers nicht glaubt, darf gerne die Menükarte des vorderen Blogs versuchen zu verstehen :) Als ich dann mal zumindest russisch hörte und natürlich gleich etwas auf russisch erwidern musste, ging im nächsten Redeschwall sang- und klaglos unter. Nicht mal das "ja ni kavariu pa ruski" wurde akzeptiert, sondern gleich mit einem nächsten Redeschwall komplett ignoriert... Irgendwie hat sie auch unser Lachen nicht irritiert und so verschwanden wir nach einem artigen "Spassiba" wieder :) Ein Schlossbesuch und ein Wasserfall-Besuch ohne Wasserfall später, gings auch schon an den Peipsi-Pihkva See. Dies ist der estnische-russische Grenzsee und lädt ideal zum Zelten ein. So nahe am Wasser konnten wir das Phänomen der Eintagesfliegen eindrücklich erleben - beinahe angenehm im Vergleich zu den nordischen Moskitos! Schwarmweise fliegen die am Sommerabend durch die Luft, schlüpfen, begatten sich kurz und geben dann den Geist auf. Der Nutzen dieser Fliegen hat sich mir noch nicht erschlossen, ausser dass ich weiss, dass das Gewässer sauber sein muss, weil sonst diese Insekten nicht überleben.


Am nächsten Tag waren wir plötzlich über der Grenze und schon in Lettland. Auf dem Weg nach Riga fanden wir
  • eine tolle, staubige Schotterstrasse
  • Polizisten welche sich gerne mit uns unterhielten und uns ermahnend des Weges gehen liessen
Die Hauptstadt von Lettland hat auch einen romantischen Dorfkern, wenngleich auch kleiner als Tallinn. Aber was gibt es schöneres, als gemütlich irgendwo zu sitzen, ein Buch zu lesen, den Charme der Stadt auf einen wirken zu lassen und dazu ein Bier zu trinken! Daneben haben wir die wissenschaftliche Universität der Stadt besucht, die Zeppelinhallen der Deutschen (heute sind es vier Markthallen: eine für Gemüse, eine für Fleisch, eine für Fisch und eine für Milchprodukte), die Altstadt abgegrast und uns über den OV aufgeregt. Wir konnten nämlich nicht einsteigen, weil wir kein Ticket hatten und weder in der Strassenbahn noch an der Haltestelle die eTickets gekauft werden konnten. Es gibt sie nur an gewissen Verkaufsstellen oder natürlich - wie wir am Abend sehen konnten - im eigenen Hotel... Auch noch nie gesehen hatte ich, wie eine Ambulanz auf einer 2x2 spurigen Strasse auf der Gegenfahrbahn fuhr. Das hätten wir uns in der Schweiz aus diversen Ueberlegungen nicht dafür!

Genug für heute und gute Nacht allerseits!