Donnerstag, 9. Januar 2020

Cerro Rico, Potosí (Besuch der Mine)

Tag 6

Nachdem wir uns entschieden hatten, auf dem Weg zu Uyuni einen Stopp in Potosí zu machen und dort die Silbermine zu besuchen, ging es zeitig los. Ich hätte am liebsten den Zug von Sucre nach Potosí genommen, aber uns hatte ein in Sucre lebender Holländer versichert, dass der Zug (genaugenommen ein Mercedes Bus, welchem Zugsräder druntermontiert worden waren) nicht mehr fährt. Anfangs 2018 stürzte eine Brücke ein und die wird voraussichtlich per Ende 2018 wieder aufgebaut (zumindest war das die Meinung). So fährt der Bus auf Schienen leider nicht mehr 😢

Mit diesem Wissen recherchierte Vali: das Taxi zum Busterminal kostet 10 Bs und die Fahrt mit einem Minibus danach ca. 30 Bs / Person. Man kann aber auch fragen und für 200 Bs fährt ein Taxi mäglicherweise direkt und ist etwas schneller. Gesagt getan: Taxi am Strassenrand angehalten, Trip fürs Terminal ausgehandelt und im Taxi dann erklärt, dass wir eigentlich nach Potosí wollten und ob er das für den genannten Preis machen würde. Ein so klares Ja hatten wir nicht erwartet. Aber wenn er gut verdient daran, dann kommt das ja der lokalen Bevölkerung zugute 😃

Es war eine interessante Fahrt durch eine tolle Natur! Die Berge waren zuerst etwas kahl bewachsen (sehr ähnlich zu Mexico) und hatten leicht rötliche Erde.



Dann kam auf einmal viel Schiefer und plötzlich gleichte es mehr Bergen mit Plattenverschiebungen (hätte ich in Geologie mehr aufgepasst in der Schule, wäre die Bezeichnung sicherlich besser ausgefallen). Wir haben dann über Rumba (argentinisch) zu Cumbia (kolumbianisch) zu ich-weiss-den-Namen-nicht-mehr (peruanischer Musikstil) immer "lokale", fröhliche Musik gehört. Randbemerkung: es wird sonst sehr viel Latinmusik (Dom. Rep., Mexico, Spanien) gehört, wo ich zum Teil noch aus den Jahren 2003 und nachfolgend kenne. Ist eine schöne Erinnerung aber ich frage mich, wieso sie doch relativ häufig ältere Musik hören?

Durch den Fahrer haben wir zudem erfahren, dass das Benzin ca. 4 Bs / L kostet (also ca. 55 Rappen). Der Staat selber kauft es aber für 8 Bs ein und subventioniert der Bevölkerung damit die Mobilität. Das Geld dazu gewinnt er anscheinend aus dem Verkauf von Erdgas. Fast jdes Auto fährt hier als Zwitter (Gas/Benzin) herum; nur die Dieselmotoren kann man nicht umrüsten. Das Gas ist noch billiger, aber das Auto verliert dadurch etwas an Leistung. Die Fahrer machen also immer die Mischrechnung zwischen Kosten und Zeit... Wir haben die 3 stündige Fahrt in 2.5h geschafft und ich konnte unserem Chauffeur auch noch gleich seine Musiksammlung raubkopieren. Meinem Reiselaptop sei Dank 😃

Die geführte Tour zu den Minen sollte gemäss Vali's Internetrecherche 13:30 losgehen. Wir hatten somit noch perfekt Zeit, die Tour abzuklären, das Hostelzimmer zu beziehen, die erste Atemknappheit zu bemerken (wir sind nun auf 4090 müM) und etwas zu essen. Für 320 Bs konnten wir die Besichtigung einer immer noch produktiven Silbermine und die Besichtigung der Mineraliengewinnung/-aufbereitung erkaufen. Ich war gespaltener Meinung, hatten wir doch auch schon unsere Erlebnisse gemacht mit Touren, wo dann alles für die Touristen extra hergerichtet wurde. Schnell konnte ich aber merken, dass es hier wahrscheinlich nicht touristisch wird. Im Gegenteil, wohl eher zu authentisch...

Wir haben zuerst David getroffen, unseren Tourguide. Er hat selber in den Minen gearbeitet, von 17-24 Jahren. Heute ist er 25 Jahre alt und hat sein Studium zum Touristenführer über 4 harte Jahre abgeschlossen. Man muss sich vorstellen, dass er von 0900-1730 in den Minen war, danach kurz was Essen und ab 19 Uhr hat er jeweils für das Studium gelernt. Das ist eine herausragende Leistung, denn die Arbeit in den Minen ist hart! David's Familie ist eine Familie der Minenarbeiter. Sein Vater hat heute aber die Minenkrankheit (Lungenfibrose) durch die lange Arbeit in der mit feinkörnigen Staub versetzten Luft. Dagegen gemacht werden kann nichts und ich kann mir vorstellen, dass insbesondere die Hämoptyse (Bluthusten) nicht lustig ist... David's jüngerer Bruder arbeitet aber noch in den Minen, weil er seine Kollegen dort hat. Man konnte es David gut ansehen, dass er nicht glücklich darüber ist.

Nach der kurzen Vorstellung (also das oben geschriebene ist eine Zusammenfassung der Infobruchstückchen, welche wir über die gesamte Tour erfahren konnten) ging es zu den Minerläden. Die Miner arbeiten heutzutage meist in sogenannten Cooperativos (=Genossenschaften). Sobald man 6 Jahre in einer Mine gearbeitet hat, kann man sich in die Kooperative einkaufen. Dann hat man das Wegbenutzungsrecht (der Haupttunnel in die Mine gehört den Kooperativen, also dort wo das Gleis für die Minenwägen sind). Danach kann man als Mitglied sagen, wo man gerne sein Glück versuchen möchte und ab diesem Moment gehört der Platz einem selbst und auch alle von dort aus gegrabenen Tunnel. Das Werkzeug, das Dynamit, die Sicherheitsausrüstungen - für all das sind die Miner aber selbst verantwortlich. Und hier in den Minerläden konnten wir also etwas einkaufen, was sie sowieso brauchen. Quasi ein Geschenk, sodass auch die einfachen Arbeiter was von den Touristen haben. Die Idee finden wir toll, insbesondere weil David auch bei der Übergabe darauf achtete, dass wir sehen konnten, wer was kriegte und vice-versa konnten sich die Miner bedanken. Hier eine kleine Preisauflistung:
  • 1 Stange Dynamit mit Zündschnur und Zünder und zusätzlichem Ammoniumnitrat (reicht ca. für 1 Loch a 1x1m) = 20 Bs
  • 3 L Sodagetränk = 10 Bs
  • 1.5 L Bier = 30 Bs
  • Staubmasken = 3 Bs
Wir haben uns also mit dem Material eingedeckt und ich überlege mir immer noch, ob wir nicht noch mal zurück sollten und noch so eine Stange Dynamit für mich selbst kaufen sollen. Man fühlt damit förmlich den Rausch und Kindheitsträume werden wach 😋

Was haben wir denn da? Dynamitstange mit Zündschnur und Ammoniumnitrat? 💓


Mit den Geschenken eingedeckt ging es zur Mine. Unser Touranbieter (Koala Tours) arbeitet mit ehemaligen Minenarbeitern zusammen und führte uns auch zur grossen Mine "Caracoles" am Cerro rico (reicher Berg). Der Berg war ursprünglich ca. 5200 m hoch und ist heute durch die stetige Aushöhlung nur noch 4782 m hoch.

Cerro Rico bei Tag

...und bei Nacht mit dem kleineren Berg davor

Das Silber wurde 1545 durch eine indigene Frau entdeckt. Seitdem wurden Tunnel um Tunnel gegraben. Wieviele es genau sind ist unklar, man schätzt aber um die 5000... Abgestützt sind eigentlich nur die Haupttunnel der Kooperativen, nicht selten stürzt daher ein ungestützter Tunnel ein, wenn ein paar Meter darunter gesprengt wird... Man könnte meinen, dass es mit den heutigen Werkzeugen viel einfacher (und sicherer) wäre, den Berg von oben her abzutragen. Ein entsprechender Vorschlag war aber abgelehnt worden, weil der Berg in seiner Kegelform als Wahrzeichen der Stadt erhalten bleiben soll.

Mit der "Schutzkleidung" augerüstet, ging es nun in den Haupttunnel. Der wirkliche Schutz war der Helm; bereits im Haupttunnel habe ich den Kopf so oft angeschlagen, dass ich aufgehört habe zu zählen. Und in den Nebentunneln wurde es definitiv nicht besser... Die Kleider haben nur den Schutz des Staubfängers, ansonsten ist unsere Trekkingausrüstung also stabiler.

Schutzkleider für Frauen...

... und Schutzkleider für Männer. Genau das Gleiche sexy Textilzeugs 😉

Hier haben wir uns eingedeckt mit der Schutzkleidung. Immerhin die Akkus für die Helmlampen sind toll, die halten über einen Tag!
Die Mine hat nur ein Gleis. Was das bedeutet wurde uns gleich am Eingang und noch mehrere Male in der Mine zu Auge geführt. Kommt ein mit Gestein beladener Wagen aus der Mine heraus, dann muss der leere Wagen aus den Geleisen gekippt - und danach wieder darauf gehievt werden. Wenn man den Arbeitern zuschaut, dann kann man sich vorstellen wie hart die Arbeit ist (hier ein Link zu einem Video wie die vollen Waggons herausgeschoben werden). In der einen Backe kauen sie viele Kokablätter. Das stillt den Hunger und Durst und hält wach. Essen tun die Minenarbeiter tagsüber nichts. Die harte Arbeit und die schlechte Luft würden sonst den Magen leeren oder die Leistung mindern gemäss David. Wenn der Tag mal besonders lang geht, dann trinken sie 96 % Ethanol zum Erbringen der Leistung...

Leerer Waggon

Leerer Waggon aus der Spur gekippt, damit der volle durch kann.

Es gibt verschiedene Jobs in den Minen. Man kann nur auf einem arbeiten oder gleich verschiedene Arbeiten erlernen und dann ausführen:
  • Waggonier - schieben "einfach" die leeren Wagen hinein und die vollen heraus
  • Meissler - hauen mit Hammer und Stahl ein 1 m tiefes Loch für die Sprengladung
  • Bohrmeister - dag gleiche wie die Meissler, aber entweder mit Strom (Bosch-Maschinen, langsam) oder mit Hydraulik (schnell, benötigt eine Leitung für die komprimierte Luft von draussen und wird daher nicht so oft eingesetzt)
  • Sprengmeister - wie es der Name sagt: platziert die Ladung und zündet sie
  • Gesteinszerkleinerung - Meistens für Frauen und Kinder ausserhalb der Minen, welche das Gestein schon etwas vorverkleinern
Ich glaube der Begriff "Miner" wird sowohl als Oberbegriff für alle Arbeiten in der Mine verwendet, oder aber für den, dem der Tunnel gehört und sagt in welche Richtung sie das Glück weiter versuchen wollen.

Kinderarbeit gibt es. Ab ca. 9 Jahren gehen die Kinder arbeiten oder sicher dann wenn es dem Vater schlecht geht (durchschnittliche Lebenserwartung der Minenarbeiter ist 39 Jahre) und die Familie sonst nicht überleben kann. Als Kontrollen eingeführt wurden, wurden die Kinder einfach Nachts in die Minen geschickt, weil dann keine Kontrollen zu erwarten waren... Es gibt Projekte, welche den Zustand erträglicher zu machen versuchen, indem sie den Kindern ein Haus und Stühle für die Arbeit sowie fliessendes Wasser zum Händewaschen anbieten. Zudem wird den Kindern am Abend noch Bildung ermöglicht. Aber es ist kein Zweifel, dass das Leben hier hart und der Zustand weit von ideal ist.

Zurück zu unserem Rundgang. Wir wurden also durch die Mine unter voller Produktion geführt. Dabei wurden uns die Schutzpatrone gezeigt, welche für die Minenarbeiter eine grosse Bedeutung haben und wir konnten auch zu Minern vordringen.

El Tio - der Teufel der über die Arbeiter wacht. Der grosse Penis steht für die Fertilität der Mine und alles andere sind Gaben.

Der Weg dazu führte durch ihren Nebentunnel. Schon wurde es warm und stickig und es kam also durchaus vor, dass man über ein dünnes Holzbrett, 10m über dem Boden, sich fortbewegen musste. Immerhin konnte man sich links und rechts am scharfkantigen Gestein abstützen 😁 Und es mag gut sein, dass die kleinen Bolivianer sich gut darin fortbewegen können, aber ein ungerades Mal fühlte ich mich als Elefant im viel zu kleinen Porzellanladen. Nur dass das Porzellan eben Gestein war... Erinnerungen an die Abenteuertour in Südafrika in den Cango Caves wurden wach und ich war gut durchgeschwitzt, als wir wieder aus der Mine kamen. Vali hatte es da in diesem Moment etwas einfacher, aber dafür spürte sie die Oberschenkelmuskeln am Tag danach 😋

Der Haupttunnel

Die Waggoniers kriegen ein Soda als Geschenk.

Rechts neben den Brettern durch geht es zu den Minern herunter...

Einmal balancieren bitte. Herunterfallen könnte weh tun, sehr weh...

Ende des Nebentunnels wo die Miner gerade ein neues Loch bohren.


Der Lohn fällt je nach Mineraliengehalt des Gesteins aus. In dieser Mine gewinnen sie mittlerweilen Silber, Zinn, Blei und Bronze. Das abgelieferte Gestein wird fein gemahlen und dann ins Labor zur Analyse geschickt. Der Lohn, wenn es gut läuft, kann so durchaus 4000-5000 Bs pro Monat betragen. Unser Führer hatte aber wenig Erfolg eine gute Ader zu finden und hatte mehrere Unfälle, wieso er nun als Touristenführer arbeitet. Ein Kollege von ihm hatte mehr Glück und habe nun ein grosses Haus und ein schönes Auto. Man konnte seiner Stimme anhören, dass er mit seinem glückslosen Minerschicksal hadert, obwohl er sehr stolz auf seinen neuen Job ist.

Das Gestein wird dann in vielen lokalen Aufbereitungsanlagen zuerst zerkleinert, dann pulverisiert (also noch mehr zerkleinert 😋), dann mit Wasser vermischt und Chemikalien zugesetzt. Dadurch schwimmt dann das gewünschte Mineral obenauf und wird so abgeschöpft und dann zur Endverarbeitung weiterverkauft.

Hier wird das Mineral mit den rotierenden Schabern dann abgeschöpft.


Für diesen Prozess braucht es sehr viel Wasser, weswegen viele künstliche Lagunen rund um Potosí angelegt wurden, um das Wasser bis zur Benutzung speichern zu können.

Es gäbe noch mehr zu schreiben, aber hoffentlich konnten wir dem/der geneigten LeserIn hier ein etwas besseres Bild verschaffen. Die Tour war absolut eindrücklich und ist wärmstens zu empfehlen (nur für nicht Klaustrophobe)! Allerhöchsten Respekt denjenigen, welche so eine Arbeit ausführen!

Tag 7

Heute haben wir uns nur an die Höhe akklimatisiert und uns etwas von den Strapazen erholt und die Kleider waschen lassen. Morgen geht es um 05:30 weiter Richtung Salzwüste (Salar de Uyuni).

P.S.: Wir sind überrascht über wie pünktlich hier die Sachen geschehen. Das hat also fast Schweizerniveau 😃


P.P.S.: Man kann Micros auch für den Abendeinkauf benutzen. Eine indigene Frau hat an einer Haltestelle zuerst Geld von ihrer Schwester (?)  in den Bus gestreckt erhalten. Das Micro fuhr danach aber noch nicht weiter, denn eine Minute später hat die Nichte noch Brot vorbeigebracht. Danach erst ging es weiter 🙉


Blick von der Mine herunter nach Potosí

Mein Liebling und ich, startklar

Hier wwerden die vollen Waggons vorbeigeschoben und dann für die LKW's ausgeleert.

Glücklich und abgekämpft nach der Minenbesichtigung.

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